Köpfhörer sind auch so ein Dauerthema bei mir. Waren es zuletzt noch die Sportkopfhörer, ist es diesmal die Suche nach DEM Kopfhörer mit Active Noise Cancelling, also dem Ausblenden gleichförmiger Nebengeräusche, wie Flugzeugmotoren oder Staubsaugergetöse. Die augenscheinliche Referenz auf dem Gebiet scheint der Bose QuietComfort(R) 25 zu sein. Aber ist das wirklich die einzige Alternative? Ich habe mir auch Andere angesehen.
Meine Anforderungen
Auf das Thema gekommen bin ich eigentlich, weil ich die letzten eineinhalb Jahre beruflich recht viel geflogen bin. Und wer oft fliegt, wird bestätigen können, dass die Geräuschkulisse nicht das sanfte Brummen ist, das man gerne hätte, sondern manchmal recht unangenehm laut sein kann. Und genau das würde ich gerne so weit wie möglich ausblenden. Genauso, wie das Staubsaugergeräusch. Ich höre nämlich gerne Musik und/oder Podcasts, während ich die Wohnung vom Staub befreie. Kopfhörer mit Acitve Noise Cancelling versprechen, diese Nebengeräusche auf ein mindestmaß zu reduzieren.
Acitve Noise Cancelling – Die Technik
Einfach ausgedrückt wird zu einem störenden Ton, ein weiterer Ton aktiv erzeugt, um den ersten zu überlagern und “auszulöschen”. Eine Grafik des entsprechenden Artikels in der englischsprachigen Wikipedia stellt das recht anschaulich dar:
Dies funktioniert am besten mit tieffrequenten Schallwellen. Ein deutlicher Unterschied ist aber bei annähernd jedem “normalen” Umgebungsgeräusch wahrzunehmen.
Die Kandidaten
Nun habe ich es nicht recht eingesehen Bose gleich mal 250€ in den Rachen zu werfen, wenn auch andere Väter schöne Töchter, oder, in diesem Fall, andere Firmen gute Kopfhörer haben. Nach ein wenig Recherche in diversen Foren und bei Freunden und Kollegen habe ich durchaus Alternativen gefunden, die das Anschauen lohnen:
- Meine erste Wahl viel auf den Jabra Vega
- Zum Vergleich habe ich mir den Plantronics BackBeat Pro angsehen
- Und zum Schluss muss natürlich noch der Bose QuietComfort(R) 25 Acoustic Noise Cancelling(R) zeigen, was er kann
Test-Kriterien
Alle Aussagen, die ich hier treffe, sind natürlich rein subjektiv! Ich habe kein Labor, um Frequenzgänge nachzumessen, oder den Druck auf die Ohren zu ermitteln. Mir kommt es bei einem Kopfhörer auf ein paar Dinge an, die für mich passen müssen:
- Wie gut funktioniert das ANC?
- Wie komfortabel lässt sich der Kopfhörer tragen?
- Wie gut ist die Klangwiedergabe bei Musik/Sprache?
- Wie ist die Handhabung im Hinblick auf Reisen?
- Wie ist die Verarbeitung?
- Welche Zusatzfeatures gibt es?
Diese Kriterien möchte ich durchaus der Reihenfolge nach gewichtet wissen. Schließlich kann ich bei einem Kopfhörer mit ANC, also einem eigentlich die Wiedergabe verfälschenden Verfahren nicht erwarten, dass er an klanglich mit spezialisierten Hifi-Kopfhörer mithalten kann. Dafür erwarte ich aber, dass die von mir als störend Empfundenen Geräusche so gut wie möglich gedämpft werden. Und natürlich möchte ich den Kopfhörer auch über längere Zeit im Flugzeug tragen können, ohne das er unangenehm drückt oder ich darunter übermäßig schwitze.
Trotzdem muss auch der Klang meinem Empfinden nach gut bis sehr gut sein, um UVPs zwischen 150€ und 300€ abrufen zu können. Es handelt sich bei allen Modellen ganz klar nicht um Billigheimer, sondern um Markengeräte von Firmen, die sich mit Klang auskennen. Deswegen habe ich auch die Verarbeitung an die letzte Stelle gesetzt. Ich erwarte sowieso von allen Anbietern, dass sie eine vernünftige Qualität liefern. Und das dann möglichst so, dass sie auch ein paar Reisen und somit den ständigen Transport und wiederholtes “raus aus der Tasche, rein in die Tasche” aushalten.
Bewertung
Ich habe versucht alle Modelle möglichst mit den gleichen Bedingungen zu konfrontieren. Das gelingt natürlich nicht immer zu 100%, aber mein Staubsauger macht immer den gleichen Lärm 😉 Dazu kam dann der Test mit und ohne ANC jeweils mit Musik und Podcasts von meinem iPhone6, sowie der Kopfhörer mit aktiviertem ANC ganz ohne zusätzliche Tonquelle, um einfach nur ein wenig Ruhe zu haben.
Jabra Vega
Jabra ist, wie auch Plantronics ein fester Begriff wenn es um professionelle Headsets und Freisprecheinrichtungen im Bereich Business-Telefonie geht. Aber auch mit Kopfhörern machen sich durchaus einen Namen in den Bereichen Sport und Hifi. Der Jabra Vega wurde mir vor Allem auf Twitter empfohlen.
Die Geräuschunterdrückung per ANC bekommt der Jabra gut hin. Der Unterschied ist deutlich, erzeugt aber keinen Druck auf den Ohren. Flugzeug- und Staubsaugergeräusche werden soweit unterdrückt, dass sie zwar noch zu hören, aber nicht mehr unangenehm laut sind.
Vom Tragekomfort ordne ich den Jabra ins obere Drittel ein. An meinen Beyerdynamics DT770 kommt er nicht ran, trägt sich aber auch über ein paar Stunden noch recht angenehm. Allerdings schwitze ich nach einiger Zeit doch ein wenig unter den Ohrpolstern.
Die Klangwiedergabe des Jabra gefällt mir ausgesprochen gut. Ich bin nicht der “Bass-Freak”, die Tiefen sind aber deutlich wahrnehmbar, ohne dabei Mittel- und Hochtöne zu verdrängen. Ausgewogen, nennt man das wohl. Sowohl Claptons Blues-Gitarre, wie auch Depeche Modes Synthie-Sounds kommen einigermaßen sauber und mit Druck. Podcasts hören sich natürlich und nicht, wie so oft, zu dumpf, an.
Für die Reise liefert Jabra leider nur eine Stofftasche mit Reißverschluss und damit die schlechteste Variante im Test. Besonderen Schutz bietet sie dem Kopfhörer nicht und Zubehör, wie Klinkenkabel und Flugzeugadapter fallen leicht unbemerkt raus, wenn man den Kopfhörer heraus holt. Die Ohrmuscheln lassen sich bei allen Modellen drehen und/oder einklappen. Beim Jabra schaltet dies automatisch das ANC aus. Das schont die Standard-AAA-Batterie, die für die ANC Funktion benötigt wird.
Die Batteriefachabdeckung ist dann auch die einzige Schwäche, die man qualitativ am eigentlich Kopfhörer finden kann. Sie könnte etwas fester einrasten, denn man hat das Gefühl, dass sie einfach so wieder aufgehen könnte, was sie aber bis dato noch nicht getan hat.
Gut ist hingegen, dass sich das Klinkenkabel sowohl an der linken, wie auch an der rechten Seite anstecken lässt. Die sog. “Lauschfunktion”, die über einen Druck auf die rechte Ohrmuscheltaste ein- und ausgeschaltet wird unterbricht die Musikwiedergabe und überträgt einfach die Außengeräusche, sogar leicht verstärkt, ans Ohr. Man muss also nichtmal unbedingt den Kopfhörer abnehmen, wenn man von freundlichen Flugbegleiterinnen angesprochen wird (was mir aber trotzdem irgendwie unhöflich erscheint).
Ansonsten macht der Jabra Vega qualitativ einen guten Eindruck. Der Kopfbügel ist aus Metall und weich gepolstert. Die Größe lässt sich recht präzise einstellen. Die Ohrmuscheln passen gut auf meine Ohren und umschließen so, dass nichts drückt und auch ohne ANC schon einiges an Außengeräuschen geschluckt wird. Alle Taster und Schalter machen einen recht soliden Eindruck. Das mitgelieferte 3,5 auf 3,5mm Klinkenkabel ist mit Stoff ummantelt. Das verhindert allzu leichtes verheddern. Die am Kabel befindliche “Fernbedienung” hat allerdings nur einen Knopf zum Starten/Pausieren der Wiedergabe. Am iPhone reicht das auch für Vor/Zurück-Springen. Um die Lautstärke zu ändern muss man das Smartphone aber in die Hand nehmen und somit ggf. aus der Tasche holen.
Plantronics BackBeat Pro
Wie Jabra ist mir Plantronics auch eher aus dem Business-Headset Bereich ein Begriff. In meiner Firma haben wir lange Plantronics Headsets eingesetzt. Der BackBeat Pro wurde mir dann auch von einem Dienstleister empfohlen, mit dem ich schon bei so einigen Skype-Umstellungen zusammen gearbeitet habe. Richtig neugierig wurde ich vor Allem deshalb, weil der Plantronics BackBeat Pro der einzige Kandidat in meinem Test ist, der ANC und die kabellose Verbindung per Bluetooth unter einen Hut bringt. Das gibt es aktuell weder von Jabra, noch von Bose.
Ebenfalls toll gelöst ist, dass sämtliche Bedienelemente direkt am Kopfhörer und zudem noch recht pfiffig untergebracht sind. Die Drehräder für Lautstärke an der rechten und vor/zurück springen an der linken Ohrmuschel lassen sich toll ertasten und bedienen. Play/Pause und Telefonate annehmen sind getrennt ausgeführt. Mit der Telefon-Taste kann man auch Siri aufrufen. Auch die Schalter für An/Aus, ANC und die ebenfalls vorhandene Lauschfunktion, hier “OpenMic(TM)” genannt, fühlen sich wertig an.
Der Plantronics liefert angenehme Sprachansagen für den Status der Bluetooth-Verbindung, des Akku und beim Ein- und Ausschalten. Der Ladezustand des Akkus wird zusätzlich auch über eine Reihe von LEDs signalisiert. Im Gegensatz zu Jabra und Bose arbeitet Plantronics mit einem fest verbauten Akku, der sich über ein mitgeliefertes Micro-USB-Kabel aufladen lässt. Plantronics gibt dann eine Spielzeit von bis zu 24Std. mit einer Akkuladung und eine Ladezeit von bis zu 3Std. an.
Mein größter Kritikpunkt bezieht sich aber leider auf das für mich wichtigste Merkmal: Die ANC Funktion ist quasi sofort beim Staubsaugertest durchgefallen. Plantronics liefert von allen drei Modellen die geringste “Dämpfung” der Außengeräusche. Und so gern ich einen Kabellosen ANC-Kopfhörer gehabt hätte, reicht mir die Leistung in dem Bereich einfach nicht aus.
Ansonsten ist die Verarbeitung untadelig. Der Kopfbügel ist ebenfalls aus Metall und durch eine leichte Rasterung sogar noch etwas präziser Einstellbar als es beim Jabra der Fall ist. Die Ohrmuscheln und alle Bedienelemente sind sauber verarbeitet. Insgesamt ist der Plantronics noch etwas schwerer, als der jabra Vega. Das dürfte unter Anderem dem Akku geschuldet sein, der hier natürlich ANC und Bluetooth mit Strom versorgen muss. Vom Sitz her passt mir der BackBeat Pro nicht ganz so gut, wie der Jabra Vega, saß aber immer noch gut genug, um auch über längere Zeit Spaß zu machen. Nimmt man den Kopfhörer ab und klappt die Ohrmuscheln um, schaltet sich Bluetooth und ANC automatisch aus. Verliert er die Verbindung längere Zeit, geht er in einen Ruhemodus, was den Akku deutlich schont.
Klanglich gefällt mir der BackBeat Pro gut und kommt für mich fast (aber eben nur fast) an den Jabra heran. Er unterstützt den aptX Codec, sogar in der LowLatency Variante. Im Lieferumfang finden sich neben dem Ladekabel noch ein 3,5 auf 3,5mm Klinkenkabel, das an der linken Ohrmuschel angeschlossen werden kann und auch dann noch für Musikgenuss sorgt, wenn der Akku mal leer ist. In der Kabelfernbienung finden sich dann auch Tasten für Play/Pause, die Lautstärke und Vor- und Zurückspringen.
Die Transporttasche ist deutlich stabiler, als die des Jabra Vega und innen angenehm weich gepolstert. Da darf man auch schonmal an einer Ecke hängen bleiben, ohne das was passiert. Allerdings nimmt sie auch mehr Platz in der Reisetasche ein und es gibt keinen Reißverschluss, der sie ganz verschließt, sondern nur einen mittig angebrachten Klettverschluss.
Bose QuietComfort 25
Das teuerste Modell im Vergleich wirkt zu Beginn am billigsten. Der Bose QuietComfort 25 ist der zierlichste und leichteste ANC Kopfhörer, den ich auf den Ohren hatte. Aber auch hier ist der Kopfbügel aus Metall. Die Weite lässt sich gut einstellen. Die Polsterung wirkt billig, macht aber ihren Job. Die Ohrmuscheln passen mir von allen dreien am besten.
Überhaupt trägt sich der Bose für mich am angenehmsten. Das ist gerade der am Anfang „günstig“ wirkenden Verarbeitung zuzuschreiben. Der Kopfhörer hat im Vergleich zum Jabra und zum Plantronics zierlich wirkende Ohrmuscheln und wirkt insgesamt kleiner, ist aber daher auch bedeutend leichter und über Stunden ohne Probleme auf dem Kopf zu tragen. Im Gegensatz zum Jabra schwitzen mir auch die Ohren nicht.
Schaut man genauer hin, ist die Verarbeitung untadelig wie bei den beiden anderen Kandidaten. Die Polster an den Ohrmuscheln sind angenehm weich, das Batteriefach, das eine Standard-AAA Batterie aufnimmt hat einen ordentlichen Verschluss und der einzige Schalter ist gut in die Mitte der rechten Ohrmuschel eingearbeitet.
Das ANC ist – fast wie erwartet – das beste im Test. In dieser Disziplin macht Bose aktuell niemand etwas vor. Der Staubsaugertest lässt nur noch ein ganz leise Geräusch durch und ich zweifle nicht daran, dass auch Flugzeugmotorbrummen kaum noch wahrnehmbar sein wird. Ohne Musik und Außengeräusche nimmt man das bei Jabra und Plantronics deutlich hörbare „weiße“ Rauschen beim Bose kaum wahr. Das geht tatsächlich kaum noch besser. Alle Achtung.
Klanglich liefert Bose eine völlig andere Charakteristik als Jabra und Plantronics. Im Gegensatz zu dem, was ich erwartet hatte, betont er eher die Höhen und die Mitten, der Bass ist etwas zurückhaltender. Dadurch wird Claptons Gitarre deutlich differenzierter wiedergegeben, „Over The Hills“ von Garry Moore kommt aber auch nicht so druckvoll rüber, wie beim Jabra. Hört man gerne Podcasts oder Hörbücher kann einem kaum etwas besseres passieren, denn Stimmen werden sehr klar und deutlich ans Ohr gebracht.
Als einziger im Test liefert Bose ein richtiges Reiseetui mit. Das Hardschalen-Case hat extra Halterungen für den im Lieferumfang enthaltenen Flugzeugadapter und eine Ersatzbatterie. Die erst etwas labil anmutende, aber dann doch wertig und vor Allem raffiniert ausgeführte Dreh- und Klappmechanik der Ohrmuscheln sorgt dafür, dass der Platzbedarf des Bose auf Reisen am geringsten von den Dreien ist.
Das Kabel ist ein 2,5mm auf 3,5mm Klinkenkabel, dass sich nur an der linken Ohrmuschel einstecken lässt. Dafür ist es das längste im Test und hat eine vollwertige 3-Tasten-Fernbedienung. Alle Funktionen des Smartphone lassen sich darüber steuern. Aber Achtung: Beim Bose gibt es unterschiedliche Varianten des Kopfhörers für iOS und Android Geräte.
Fazit
Nachdem ich alle drei ANC-Kopfhörer getestet habe, ist der Sieger für mich doch der Bose. Das ANC ist das beste im Test, er ist der reisetauglichste der Drei, trägt sich auch nach Stunden noch angenehm und klanglich gefällt mir die eher die Mitten betonende Charakteristik gut. Preislich halte ich ihn trotzdem für überteuert und ich hoffe, dass bald eine kabellose Variante angeboten wird, die nicht deutlich teurer ist.
Der Plantronics BackBeat Pro fiel leider sehr schnell aus dem Test, da die Hauptfunktion, das Active Noise Cancelling, hier am schlechtesten funktioniert. Leider, weil damit der einzige kabellose Kandidat aus dem Rennen ist und zurück geht.
Der Jabra ist sein Geld allemal wert und die deutlich günstigere Alternative zum Bose. Immerhin reden wir hier von annähernd 100€ Unterschied allein im Straßenpreis. Klanglich etwas mehr Richtung Bass ausgerichtet bietet er ein gutes ANC, das zwar an den Bose nicht ran kommt, aber okay ist. Reisetauglichkeit und die etwas zu schwere Ausführung kamen aber dazu und haben mich dann doch zum Bose getrieben.
Einen weiteren Vertreter der Gattung Active Noise Cancelling Kopfhörer hat übrigens technikblog.ch getestet. Dort hat Hans den Denon AH-GC20 Wireless unter die Lupe genommen. Den konnte ich auf die Schnelle leider nicht bekommen.
Galerie
Schöner Artikel! Hattest Du die Modelle von Sennheiser nicht auf dem Schirm, oder warum hast Du die nicht erwähnt? Das ANC von denen finde ich im Vergleich zum Bose nochmals besser.
Die Sennheiser hatte ich relativ früh von meiner Liste gestrichen. Die liegen einfach ein bisschen über meinem Budget. Dabei wäre ein guter, kabelloser ANC Kopfhörer von Sennheiser sicher ein Traum, wenn er wirklich so gut funktioniert, wie du sagst.
Hallo,
Schöner Artikel ich persönlich finde die Bose QuietComfort 25 am besten 🙂
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[…] ich in meinem letzten Kopfhörer-Artikel den Bose QC25 zu meinen ANC-Kopfhörer der Wahl gekürt habe, passierte, was passieren musste: Bose […]