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Software, Preise, Wartung – Von Freemium-Apps und Abo-Modellen

Immer öfter liest man in letzter Zeit, dass besonders im Mobile-Bereich Software, also Apps auf das sog. Freemium Modell umstellen. Letztlich heißt das, „Du bekommst unsere App zwar kostenlos, aber (meist) mit Einschränkungen. Und wenn du sie wirklich nutzen möchtest, zahl per In-App-Purchase (IAP)“. Aber ist das wirklich immer so schlimm?

Die Fakten

Software ist extrem billig geworden

Die Älteren unter uns werden sich vielleicht noch an die Zeiten erinnern, als wir in Kaufhäuser und Computerspieleläden getingelt sind, um uns das neueste Spiel, oder die neue Version einer Anwendung zu kaufen. Im Hochglanz-Pappschuber, mit Handbüchern und auf Diskette oder CD.

Wo lagen die Preise damals? Ein neues PC-Game kostete eigentlich immer zwischen 40 und 60 Euro. Eine Preisrange, die heute nur noch bei Konsolentiteln normal ist. Produktiv-Anwendungen lagen normalerweise noch deutlich darüber.

Heute sieht die Welt anders aus. Man hört das Stöhnen der geplagten 700€-Smartphone-Besitzer aus allen Netzwerken, wenn die gewünschte App für 89ct (0,89€) im Appstore angeboten wird. Überschreiten die Entwickler die 3€-Marke spricht man gar von Geldgier.

In was für einer Welt leben wir eigentlich???

Software muss entwickelt werden

Ich weiß nicht, woran es liegt, aber manchen Mitbenutzern scheint nicht klar zu sein, dass hinter jeder App ein Softwareentwicklungsprozess (gleich mal für die nächste Hangman- und Scrabblerunde notieren) steckt. Hier geht es um Menschen, die ihre Brötchen damit verdienen möchten, Software zu entwickeln. Denen es unter Umständen sogar Spaß macht etwas zu entwickeln, das anderen Spaß macht; oder für andere nützlich ist.

Tatsächlich gehört zu einem solchen Prozess einiges an Arbeit. Da muss ein Plan gemacht werden, was entwickelt werden soll, wie man es entwickeln möchte, was dazu alles nötig ist und wer das am Ende macht. Da werden Grafiken und Benutzeroberflächen entworfen, ein Datenmodell aufgestellt, Abläufe skizziert, Objektmodelle erstellt und noch einiges mehr.

Bis eine App im Store landet, vergehen Monate, manchmal auch Jahre.

Software muss gewartet werden

Dies ist sicher einer der entscheidenden Punkte. Eine App braucht Wartung. Also Betreuung. Und Support.

Schließlich muss eine App ständig an neue OS-Versionen angepasst werden. Die Hersteller von Betriebssystemen ändern ständig etwas an dem Unterbau, auf dem die App ja laufen soll. Ob das nun Anpassungen sind, die für den Anwender gut sichtbar sind, wie die renovierung der Benutzeroberfläche (wie z.B. iOS 7), oder ob es sich um Änderungen handelt, die vom Benutzer gar nicht wahrgenommen werden, aber trotzdem gemacht werden müssen, damit die App, die man vielleicht häufig nutzt, überhaupt noch funktionert. Ständig muss etwas getan werden. Und ganz sicher darf man auch Fehler nicht vergessen, die IMMER vorhanden sind. Auch wenn man noch so gut testet. Es gibt keine von Beginn an fehlerfreie Software! Auch hier erwartet der Anwender – zu Recht(?) – das der oder die Entwickler diese Fehler korrigieren. Man hat ja dafür bezahlt. Und wehe der Entwickler steht nicht Gewehr bei Fuß und behebt den Fehler innerhalb der nächsten Stunde. Um es mal überspitzt zu formulieren.

Man mag es kaum glauben, aber die Wartung, das „in Betrieb halten“ der Software ist das aufwendigste und das teuerste am ganzen Prozess!

Gedanken

Frage 1: Darf eine App Geld kosten?

Im ersten Moment würde man sicher sagen: Klar, natürlich darf eine App, ein Stück Software, Geld kosten. Ich sage, dass das nicht immer der Fall ist. Nicht, weil ich einer Firma, ob nun Ein-Mann-Bude, oder großes Unternehmen, den Erfolg nicht gönne, sondern weil das IMHO die falsche Frage ist! Die richtige Frage lautet

Frage 2: Darf man mit Software Geld verdienen?

Und hier setze ich ein klares „Ja“! Die Frage ist nur, wie!

Es gibt ja mehrere Möglichkeiten, Geld mit einer App zu verdienen. Da ist zum ersten das Modell „Kostenlos, aber mit Werbung“. Für mich ist auch Werbung nicht unbedingt tabu. Zumindest, solange sie dezent ist und die Benutzung der App nicht behindert. In dem Fall wäre mir übrigens die Möglichkeit eines IAPs hoch willkommen. Dann hätte ich die Wahl zwischen kostenlos nutzen und die Werbung akzeptieren und dem Kauf und der Nutzung ohne Werbung.

Dann gibt es das klassiche Modell einmalig einen Betrag X zu bezahlen, um eine App zu erwerben. Leider scheint es immer schwieriger zu werden, ein Stück Software, und sei es noch so gut, unter das Volk zu bringen. Eine App kostet Geld? Dann schaue ich sie mir erst gar nicht an, bzw. gucke erstmal, ob es nicht was kostenloses gibt. So, oder so ähnlich machen es viele. Das es nur sehr wenige Wohltäter auf der Erde gibt, die ihre Machwerke verschenken, weil sie freude am Programmieren haben, scheint viele nicht dazu verleiten zu können, die AGB nach „Wir verkaufen deine Daten“-Passagen abzusuchen. Den meisten ist es schlichtweg egal. Hauptsache kostet nix.

Und um dann überhaupt noch eine Chance auf eine Platzierung in den Appstore-Charts zu haben, verlegen sich viele auf das Modell „Kostenlos, mit In-App-Purchase“. Immer häufiger sogar mit einem Abo-Modell.

Frage 3: Sind In-App-Purchases verwerflich?

Nein, sind sie nicht! Klare Frage, klare Antwort. Sie haben nur einen schlechten Ruf, weil es zu viele Apps gibt, die dir kontinuierlich Schlumpfbeeren, oder ähnliche App-Währungen andrehen, damit du überhaupt weiter spielen kannst. Und auch, wenn es oft kein direkter Zwang ist, diese Käufe zu tätigen, ist es häufig so, dass diese Spiele ohne kaum zu spielen sind. Mehrere Stunden Wartezeit, bis man den nächsten Zug ausführen, den nächsten Level spielen darf, sind sonst die Folge. Letztlich darf natürlich jeder selbst entscheiden, ob er solche Spiele spielt und ob er bereit ist auf den sehr offensichtlichen „Kaufen“-Knopf zu drücken. Meiner Meinung nach sind das aber genau die Apps, die man mit Nicht-Kaufen bestrafen sollte. Das Modell empfinde ich als unverschämt.

Ganz und gar anders ist der InApp-Kauf aber zu bewerten, wenn er für andere Zwecke genutzt wird. Warum sollen zusätzliche Funktionen nicht auch zusätzlich verkauft werden dürfen? Und auch die schon angesprochene Werbefreiheit per IAP halte ich oft für angemessen.

Die Umstrittenste Variante ist vermutlich das Abo-Modell. Aber auch das halte ich in gewissen Fällen für durchaus legitim. Und ich spreche jetzt nicht von Zeitschriftenabos, oder ähnlich gelagerten Fällen. Ich meine tatsächlich die wiederkehrende Zahlung für die Nutzung einer App. Wer im geschäftlichen Umfeld mit Software zu tun hat, kennt das. Man zahlt für eine Software und man schließt einen Vertrag über die Wartung derselben ab. Meistens zahlt man jährlich(!) zwischen 15 und 20 Prozent des Einkaufspreises und bekommt dafür dann Updates auf neue Versionen, Fehlerbehebungen und Verbesserungen. Also mehr oder weniger die Garantie, dass die Software läuft, solange ich diese Wartung auch bezahle und die Software von der Firma vertrieben, bzw. gewartet wird.
Auch im privaten Umfeld war und ist das nicht so ungewöhnlich. Kommerzielle Software kostet nicht nur einmalig, sondern man zahlt auch für Updates, wenn auch meist nicht den vollen Preis. Das finde ich auch völlig in Ordnung. Schließlich steckt hinter jedem Update und jeder neuen Funktion geleistete Arbeit, die auch entlohnt werden soll.

Man könnte jetzt einwenden, dass ich mich in diesen Fällen entscheiden kann, ob ich auf die Garantie wert lege, oder ob ich eine neue Version überhaupt haben möchte, oder die alte solange weiter benutze, wie es geht. Das stimmt.
Aber leider sind die Möglichkeiten in den heutigen AppStores recht beschränkt. Entwickler können nicht selektiv Updates an Kunden mit Wartung verteilen. Trotzdem gibt es gute und schlecht Beispiele für Abo-Modelle bei Software und die hängen an verschiedenen Kriterien.

Ich möchte hier nur kurz auf gutes Beispiel eingehen, weil es der Anlass zu diesm Artikel war.

Ein Beispiel das Schule machen könnte

Der iPhone-Ticker auf iFun hat über den Wechsel zum Abo-Modell bei der App Bring! berichtet. Der Artikel enthält einen offenen Brief der Entwickler an die iFun-Redaktion und erklärt deren Gründe und Absichten für den Schritt vom Einmalkauf zum Abo. Der vollständige Artikel ist sehr lesenswert. Ich selbst nutze Bring! gar nicht, finde aber das Modell sehr gut. Bring! wird nämlich in einer Basic-Version kostenlos im AppStore angeboten. Zusätzlich wird es einen IAP geben, der das Sharing des digitalen Einkaufszettels mit anderen Bring! Benutzern ermöglicht. Das wird dann als Bring!Plus als Abo angeboten. Entweder für 3 Monate (89ct), oder für ein jahr. Letzteres soll erstmal 2,69€ kosten.

Prinzipiell kann man die App also vollumfänglich für sich nutzen, ohne auch nur einen Cent zu bezahlen. Möchte einem die Freundin aber den Einkaufszettel von zu Hause aus erweitern, während man schon im Laden steht, kommt man um das Abo auf beiden Seiten (nehme ich an; das geht nicht so ganz klar aus dem Artikel hervor) nicht herum. Positiv ist, dass man die App auch dann weiter nutzen kann, wenn man sich entscheidet, den vielleicht schon einmal getätigten „Softwarewartungsbetrag“ nicht, oder nicht mehr zu zahlen. Man fällt zurück auf die Basic-Variante, bekommt dann immer noch Updates, die Fehler beheben. Und solange die Grundversion kostenlos angeboten wird, muss man sich auch um neue Versionen keine Gedanken machen.

Tatsächlich hoffe ich, dass die Entwickler mit diesem Modell Erfolg haben werden. Mir gefällt die Art und Weise des offenen Briefes. Ich verstehe die Argumentation. Und ich verstehe, dass eine Firma mit ihrem Produkt Geld verdienen möchte. Da das mit dem klassischen Verkauf scheinbar nicht mehr machbar ist, müssen andere Wege gefunden werden. Und den hier eingeschlagenen halte ich für extrem Benutzerfreundlich. Vielleicht werde sogar ich mir diese App – die ich eigentlich gar nicht brauche – mal zulegen. Zumindest für ein Jahr auch bezahlt.

Fazit

Es gibt Fälle, wie Bring!, bei denen ich das Freemium-Modell sogar mit Abo verstehe und auch gut finde. Konsequente Weiterentwicklung darf auch Geld kosten und hier bekommt man für das Geld auch einen Mehrwert.
Es gibt aber auch Fälle, bei denen das gar nicht geht, wie es z.B. StögerIT mit Outbank vorgemacht hat (um doch noch ein Negativbeispiel von vielen zu nennen). Hier stimmte weder Service, noch Leistung. Es war ja leider so, dass es ein paar ziemlich dicke Bugs gab, man aber mit seinen Benutzern nicht mehr reden wollte. Die Twitter-Story haben einige vielleicht noch im Gedächtnis. Dabei habe ich Outbank selbst über längere Zeit eingesetzt und war auch recht zufrieden. Preis und Leistung stimmen hier aber IMHO einfach nicht mehr und mein Vertrauen in die Firma und das Produkt sind futsch.

In Konsequenz möchte ich nur darlegen, dass man im Einzelfall entscheiden muss, ob dieses Modell nicht doch seine Daseinsberechtigung hat. In-App-Purchase ist nicht zwangsweise etwas schlechtes!

Zu diesem Thema würden mich eure Kommentare wieder sehr interessieren. In-App-Purchases sind ja immer für Diskussionen gut 😉 Wie seht ihr das? Würdet ihr für guten Service auch öfter als einmal Geld bezahlen? Versteht ihr den Schritt der Entwickler, wenn sich scheinbar mit normalem Einmalverkauf nichts mehr verdienen lässt? Oder haltet ihr das für ein Scheinargument?

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